Die U-Bahn als öffentliches Transportmittel schlechthin ist heute kaum mehr wegzudenken. In fast jeder größeren Stadt ist sie vorzufinden, glücklicherweise (oder vielleicht auch leider, je nachdem wie man es betrachtet) auch in Wien. Mit diesem Artikel möchte ich der Wiener U-Bahn ein Loblied singen.
Ein alter Bekannter. Falls dich dieses Bild jetzt auf falsche Gedanken bringen sollte: Rauchen in der U-Bahn ist verboten!
Öffis in der Heimat
In ländlichen Gegenden, wie das Waldviertel eine ist, ist es schwierig ein System wie das der U-Bahn durchzusetzen. Die Orte liegen schlicht und einfach zu weit voneinander entfernt. Unsere bewaldete Heimat bietet uns allerdings Alternativen, auch wenn diese zahlenmäßig sehr überschaubar sind. Will man an die gewünschte Destination, ist großteils der Postbus dafür verantwortlich, seinen Kunden diesen Wunsch zu erfüllen. Wir wagen zu behaupten, dass jeder schon einmal die Ehre hatte, in einem solchen Vehikel transportiert zu werden. Auch ich war Teil dieser glücklichen Kundschaft, und diese Busfahrten haben einige bleibende Eindrücke in den entlegensten Winkeln meiner Seele hinterlassen, was mir auch zugute kam, denn wie ihr später erfahren werdet, zieht sich der rote Faden meines Öffi-Psychologie-Entwicklungsanges wie eine nicht enden wollende Straßenbahnlinie durch die Schienen meines Lebens.
Der Postbus glänzt mit seinen überaus zufriedenen und freundlichen Buschauffeuren, die nicht den geringsten Hauch einer misanthropischen Veranlagung zeigen, und stets gut gelaunt sind. Die Vorgänge, die sich bei Busfahrten abspielen, sind natürlich auch überaus spannend. Der Löwenanteil der Busbenutzer sind Schulkinder. Den Stoff, aus dem dem Geschichten entstehen, bilden also hormongesteuerte Pubertierende. Körperflüssigkeiten wie Blut, Schweiß, Speichel und Tränen, um nur einige zu nennen, spielen hierbei ebenfalls eine besondere Rolle. Wozu das führen kann, soll sich jeder selbst ausmalen. Wie so eine Geschichte im Detail aussieht, möchten wir hier aus Gründen der Höflichkeit nicht genauer anführen.
Neben dem genannten Unternehmen sind die Möglichkeiten nicht sonderlich groß. Wenn du Pech hast, gibt es in deinem Heimatort keine Haltestelle und es bleibt dir somit verwährt, dieses prächtige Angebot in Anspruch zu nehmen, es sei denn, du bittest jemand dich zur nächsten Haltestelle zu taxieren. Natürlich, deine Eltern oder deine Freunde sind überaus glücklich darüber, das Privileg zu besitzen, dich chauffieren zu dürfen und würden es am Liebsten den ganzen Tag tun. Wenn sie doch nur die Zeit dafür hätten. Ohne Führerschein bzw. ohne Auto bist du auf diese Parteien angewiesen. Falls sich kein offenes Zeitfenster finden lässt, kann sich ein einfaches Treffen mit Freunden als sehr schwierig gestalten. Fällt die Wahl deines zukünftigen Wohnsitzes auf Wien, sind solche Sorgen Geschichte.
Geschichtliches
Beginnen wir mit etwas Geschichte. Geplant wurde der Bau der Wiener U-Bahn bereits in den 1840er Jahren, offiziell eröffnet wurde sie allerdings erst 1978. Damit liegt Wien ganz weit vorne in der Liste der längsten Planungsarbeiten für ein U-Bahn Netz. Als Vorgänger der U-Bahn gilt die Wiener Stadtbahn, die damals mit Dampfbetrieb geführt wurde. Diese wurde später etappenweise auf den Betrieb der Linie U4 und U6 umgestellt. Das legte den Grundstein für die Entstehungsgeschichte der Wiener U-Bahn, wie wir sie heute kennen. Ständige Erweiterungen des Netzes sorgten für den Zuwachs weiterer Linien und Verbindungen. Momentan existieren die Linien U1-U4 und die U6. Eine U5 gibt es (noch) nicht. Grund dafür ist, dass der Bau dieser Linie mehrmals geplant und wieder verworfen wurde. Das U-Bahn Netz wird bis heute erweitert, aktuell befindet es sich in der fünften Ausbaustufe. Geplant sind die Eröffnung der ersten Teilstrecke der U5 bis 2023 und die Verlängerung der U2 vom Matzleinsdorfer Platz bis zum Wienerberg. Die U5 wird die erste fahrerlose U-Bahnlinie Wiens.

Quelle: Wikimedia
Die ehemalige Wiener Stadtbahn
Menschen sind interessant
Was wäre eine Wiener U-Bahn ohne Wiener? Gar nichts natürlich. Immer wieder hört man, dass die Wiener Österreichs Grantler Nummer eins wären. Viele behaupten, dass sich das Image des obligatorisch grießgrämigen Hauptstadtbewohners, mit allem verbinden lässt, womit er in Beziehung steht. Ersucht man in der U-Bahn eine Person freundlich beiseite zu treten, um aussteigen zu können, und es kommt als herzerwärmende Antwort ein „Loss mi auglahnt, deppada“, oder vielleicht ein etwas milder ausgedrücktes „Geh di brausen“, würde man als unerfahrener Benutzer der U-Bahn jetzt vielleicht meinen, man weiß, in welchem Teil von Österreich man sich befindet. Den Wiener pauschal als grantig abzustempeln wäre jedoch viel zu einfach. Hast du erst einmal genug Erfahrungen mit öffentlichen Transportmitteln gesammelt, wirst du schnell merken, dass es durchaus freundliche Großstadtbewohner und auch eher weniger freundliche Nicht-Wiener gibt. Also Vorsicht mit Vorurteilen.
In dem unterirdischen Netzwerk triffst du auf die verschiedensten Personengruppen. Als Benutzer der U-Bahn wirst du, vorausgesetzt du hörst nicht gerade Musik, oder du teilst dich nicht selbst jemandem mit, zum unfreiwilligen Psychiater aller Altersgruppen, egal welchen Geschlechts, egal welcher Herkunft und natürlich ganz egal ob es dich interessiert oder nicht. Du bekommst einen sehr tiefen Einblick in das Alltagsleben der werten Wiener und du erfährst wie sie mit ihren Problemen umgehen. Die Frage, wie sie sich in einer seelisch schwierig zu bewältigenden Situation gefühlt haben, brauchst du ihnen nicht einmal mehr stellen, weil sie dir sogar das ungefragt offenbaren. Natürlich nicht dir persönlich, aber es kann sich als schwierig erweisen, pikante Details zu überhören, wenn ein gekränktes Individuum seinem Gesprächspartner das Herz ausschüttet. Der U-Bahn Sitz ist zur freud’schen Couch mutiert. Kaum nimmt jemand Platz, verspürt er den unwiderstehlichen Drang, sich seine Probleme von der Seele zu reden, sei es jetzt per Telefon oder über ein direktes Gespräch mit einem Bekannten. Hätte es zu Zeiten Sigmund Freuds bereits eine U-Bahn gegeben, wären ihm seine damals bahnbrechenden Erkenntnisse mit Sicherheit wesentlich einfacher und schneller gelungen.

Ein alter Bekannter. Falls dich dieses Bild jetzt auf falsche Gedanken bringen sollte: Rauchen in der U-Bahn ist verboten!
Wir bezweifeln, dass wir schon alles gesehen haben, was während so einer Fahrt vor sich gehen kann, aber es sind durchaus einige Sachen dabei, die einen nachdenklich werden lassen. Von einfachen Gesprächen à la „Meine Mutter ist im Krankenhaus und ihr geht es nicht so gut“ bis hin zu einem „Ich glaube, wir haben uns auseinandergelebt“. In der Hitze ihres Glücks haben sie sich geschworen, einander ewig zu lieben. In der Güte des Geliebten haben sie ein Heim gefunden. Ganz bestimmt würde niemand von den beiden jemals auf die Idee kommen, in einem öffentlichen Verkehrsmittel, vor einer Menschenversammlung alles über den Haufen zu werfen, was sie sich mühsam aufgebaut haben. Trotzdem habt ihr richtig gelesen: ich habe tatsächlich einmal beobachtet, wie in der U-Bahn jemandem der Laufpass gegeben wurde. Menschen sind unheimlich komplex, gewisse Dinge eben gerade deswegen teilweise unvorhersehbar und wie es aussieht leider auch unvermeidlich. Würde ich meine Rolle als mundtoter Psychiater nicht ernst nehmen, würde ich diesen Akt wohl als Gipfel der Geschmacklosigkeit bezeichnen. Aufgrund meiner Tätigkeit, nehme ich allerdings Abstand davon, liegt es mir doch fern, jemandem solch ein Urteil anzumaßen. Der schnellste und beste Fluchtweg aus diesem nervenaufreibenden Martyrium ist ein schneller Handgriff zu deinen Kofphörern.
Aber keine Angst, klingt alles wesentlich tragischer als es tatsächlich ist. Generell ist es in der heutigen Zeit nicht mehr so schlimm, wirst du dir jetzt denken, besteht doch der vorwiegende Inhalt eines U-Bahn Waggons aus einer Horde an Smartphone-Zombies. Damit meinst du wahrscheinlich die sonderbaren Wesen, die apathisch in ihre mobilen Ersatzgehirne starren, als würden die kleinen Computer ihnen mittels Telepathie auftragen ihr eigenes Zerebrum ein Dasein in purer Kontaktarmut und Isolation fristen zu lassen. Du darfst aber nicht so hart zu deinen U-Bahn Mitbenutzern sein. Viele Menschen sehnen sich einfach nach Kommunikation und möchten die Zeit, die sie in den Öffis verbringen nicht „sinnlos“ verschwenden. Und bevor du dich über Menschen ärgerst, die deiner Meinung nach nicht gelernt haben, sich in angemessener Lautstärke zu unterhalten, sei nicht zu vorschnell mit deinem Urteil. Teilen der Gesellschaft muss schlicht und einfach ein warmes Temperament innewohnen, damit sie sich durchsetzen können.
Du wirst dich wahrscheinlich auch fragen, ob manchen Geschöpfen Gottes geläufig ist, dass es so etwas wie Audio-Ausgabegeräte gibt, die man an oder in den Ohren befestigt, da du immer wieder Leute beobachten wirst, die ihre liebsten Klänge oder Klingeltöne ihr Trommelfell penetrieren lassen, indem sie ihr Mobiltelefon auf ihr Hörorgan oder in ihrer unmittelbaren Umgebung in der Hand halten und somit (wahrscheinlich nur mit freundlichster Absicht) ihre Nachbarn an dem prachtvollen Klangerlebnis teilhaben lassen. Solltest du aus zuverlässiger Quelle wissen, dass diese Personen tatsächlich Zugang zu Kopfhörern haben, wäre meine Diagnose als erfahrener U-Bahn Psychiater ein möglicherweise tiefsitzendes, unbefriedigtes Geltungsbedürfnis.
Ein Bild für die Götter
Die Wiener U-Bahn ist außerdem auch ein beliebter Schlafplatz. Egal ob im Sitzen, Liegen, Stehen, Knien oder sonstigen Positionen. Vor allem für Leute, die unter dem Einfluss gewisser Substanzen stehen. Nicht selten kommt es vor, dass ein beeinträchtigtes Individuum die Möglichkeit eines verlockenden Nickerchens in der U-Bahn Garnitur wahrnimmt. Da hilft die Durchsage an den Endstationen, die alle Fahrgäste zum Verlassen des Zuges auffordert, meist wenig. Als ich noch in Ottakring wohnte, wurde mir die Freude zu teil, jeden Tag in der Anfangsstation der U3 zuzusteigen und meinen Weg in die Arbeit zu bestreiten. Zu denken ich sei der erste, der den Zug betritt, war jedoch weit gefehlt. Ich traf des Öfteren auf schlafende, nicht gerade verlockend riechende Menschen, deren Duft sich bereits im Raum breit gemacht hatte. Schlafende Hunde soll man nicht wecken, schlafende Betrunkene schon gar nicht. Würde mir in meiner Position auch nie in den Sinn kommen, sehen sie doch so herzallerliebst aus, wenn sie friedlich vor sich hin dösen. Es scheint, dies wäre der einzige Moment, in dem gewisse Leute ihren wohlverdienten Frieden finden.

Gemütlichkeit ist eine Frage der Einstellung.
Ein Angriff auf die Geruchsnerven
Nicht nur unserem Gehör und unserem Auge werden Zumutungen aufgezwungen, nein, es kommt auch eine Flut an olfaktorischen Reizen auf uns zu, vor allem im Sommer, wenn sich das Interieur ein wenig aufheizt. Körperflüssigkeiten aller Art, auch die (sehr euphemistisch ausgedrückt) weniger wohlriechenden, stauen sich an. Die Pheromone spielen verrückt, Männlein versucht Weiblein zu bezirzen. Wenn in der warmen Jahreszeit die Säfte fließen und du in einem Meer aus Schweißtropfen zu ertrinken drohst, wird es dir nicht nur sprichwörtlich warm ums Herz. Das ist der natürliche Lauf der Dinge, Gefühle erwachen langsam wieder aus ihrem Winterschlaf. Gewöhn dich schon mal jetzt daran, denn was in der Natur des Menschen liegt, vermag niemand zu ändern.
Natürlich wird auch im Waggon gegessen, anderswo ist dafür absolut keine Zeit. Am liebsten fettiges Zeug. Kebab ist dabei eindeutig an der Spitze, weshalb ich ihn gerne auch als das perfide U-Bahn Weckerl bezeichne. Eine Delikatesse, die sich perfekt dafür eignet, in dieser Umgebung verspeist zu werden. Es ist wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit, bis die triefenden Fladenbrote aus dem Orient direkt in der fahrenden U-Bahn angeboten werden. Die Kombination aus frischen Zwiebeln, fettigem Fleisch und reichlich Soße machen ihn zu einem wahren Geruchsfeuerwerk. Was natürlich nicht heißen soll, dass ihm da andere Nahrungsmittel nachstehen. Würstel und Leberkässemmeln sind auch nicht gerade geruchsunintensiv und stehen täglich am Speiseplan der U-Bahn Fahrer. Essen in der U-Bahn ist zum Volkssport geworden. Egal was nun das Objekt der Begierde ist, das sich die Gesellschaft auf der Jagd nach dem Höhepunkt zwischen ihre gierigen Kauleisten stopft, Hauptsache es ist fettig. Ziel ist das größtmögliche Lusterlebnis und die gleichzeitige Antipathiemaximierung als Folge dieses perversen Aktes. Hier ist der Wettbewerbsgedanke sehr stark ausgepräkt. Wie kann ich meinen Gegner übertrumpfen? Das Alpha-Männchen möchte sich bei seinen Artgenossen profilieren.

Quelle: nipic.com
Allium Cepa: Eine Pflanze, die der Mensch einsetzt, um sich bei seinen Artgenossen durchzusetzen.
Dein Riechkolben ist mehr als überwältigt von der Auswahl, die sich ihm bietet und kann sich nur schwer entscheiden, welchen Duft er als erstes an dein Gehirn senden soll. Die perfekt harmonierende Kombination aus einer Alkoholfahne und Zigarettenrauch, die der Typ neben dir ausströmt? Eine Prise nasser Hund? Den Hauch der Extrawurstsemmel, die das Schulkind neben dir genüsslich in seinen Magen-Darm-Trakt befördert? Alles auf einmal? Du wirst es auf jeden Fall merken, wenn das Lüftchen wie ein Pfeil deine nasalen Körperöffnungen perforiert.
Die Wiener U-Bahn und der Alkohol
Böse Zungen behaupten, dass der Alkohol die liebste Beschäftigung des Österreichers nach dem Schifahren wäre. Womit wir auch schon beim nächsten Thema wären. Steigt man um sechs Uhr morgens in die U-Bahn, wenn die ersten Sonnenstrahlen den purpurnen Äther langsam durchsetzen, sieht man bereits vereinzelt Menschen, die sich ihre morgendliche Dosis flüssiges Gold durch ein Hüserl verabreichen. Ein nicht gerade erstrebenswerter Start in den Tag, aber als fleißiger Arbeiter braucht man nun mal ein herzhaftes Frühstück. Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen? Wenn du am Wochenende beispielsweise vorglühen zu deinen Freunden fährst, wird dir etwas auffallen: Die Bürohengste haben ihren fahlen Gesichtsaudruck und ihren Aktenkoffer gegen ein breites Grinsen und den vom Volk begehrten Rauschmacher eingetauscht. Damit wollen sie uns zeigen, dass sie nachts ihrem Stall entfliehen, und außer den Arbeitsplatztätigkeiten noch ganz andere Dinge im Sinn haben. Falls du schon auf dem Hinweg einen im Tee haben solltest, bist du mitnichten nicht der einzige. Selektiv entdeckt man junge, aber auch alte Gesellen, die verstohlen an ihrem geliebten Zaubersaft nippen. Ob sie das dürfen, juckt sie natürlich kein bisschen. Als geübter Analyst kann ich niemandem vorwerfen, dass er der alten Leier entfliehen möchte und sich außerhalb seiner produktiven Phase mal eine Auszeit gönnen will. Es kann sogar förderlich sein, frischen Wind ins Gehirn zu bringen, indem man mal ein wenig abschaltet. Ich möchte hier nicht die Rolle der Wohlfahrt einnehmen, die Risiken, die der Alkoholkonsum mit sich bringt, sollten jedem durchaus bewusst sein. Dass die regelmäßige Einnahme einer Droge nicht gesundheitsfördernd ist, ist natürlich selbstverständlich. Ich muss zugeben, (Asche auf mein Haupt) auch ich habe mich schon einmal dabei erwischt, als ich einen Schluck aus einem braunen Glasbehälter gemacht habe, während ich mich in einem Zug aufgehalten habe. Nüchterne Nächte schreiben vielleicht auch ab und an Geschichte, aber betrunkene Nächte kreieren Abenteuer. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Offiziell ist es natürlich verboten, Alkohol in der U-Bahn zu konsumieren. Das möchte ich hier tunlichst unterstreichen. Ein wenig Selbstverantworung ist hoffentlich jedem zuzutrauen.
Unterirdische Kriminalität
Der Wiener Untergrund ist nicht nur ein Ort der alkoholdurchtriebenen Suderanten, die ihr Essen dort verspeisen, wo sie später schlafen, nein, auch die Kriminalität findet hier tagtäglich ihren Platz. „Wir haben alle Ausreden analysiert, schwarzfahren kostet so oder so EUR 103,-“, so der Spruch, der in vielen U-Bahn Stationen an der Wand klebt. Wie auch sonst überall üblich, benötigst du, um die Wiener U-Bahn benutzen zu dürfen, ein Ticket. Das bekommst du bei allen Stationen entweder an einem Automaten, oder du bestellst dir gleich ein Jahresticket um 365€ bei den Wiener Linien. Die Jahreskarte gilt übrigens nicht nur für die U-Bahn, sondern auch für alle anderen öffentlichen Verkehrsmittel innerhalb Wiens. Bis jetzt gibt es für Studenten als billigere Alternative nur das Semesterticket, was immer wieder zu Protesten seitens dieser Fraktion führt. Unserers Erachtens nach durchaus nachvollziehbar, kann man doch beispielsweise mit dem Top-Jugendticket für nur 70€ pro Jahr ebenfalls mit allen Öffis in Wien verkehren. Das ist jedoch nur für Schüler und Lehrlinge erhältlich.

Die U-Bahn gibt uns nicht nur Finanztipps, sie weist uns auch darauf hin, was uns ein Verbrechen kosten kann.
Als Schwarzfahrer hast du es in Wien schwer. U-Bahn Kontrolleure sind sehr streng, was die täglichen Überprüfungen betrifft. Oft sind sie Undercover unterwegs, enttarnen sich ohne Vorwarnung, außerhalb eines Stationsaufenthaltes, mitten in der Fahrt. Da hilft rennen meistens wenig. Trotzdem gibt es immer wieder Leute, die es auf die Probe stellen. In diesem Fall musst du Prioritäten setzen. Zahlst du lieber 103€ oder begibst du dich auf eine Verfolgungsjagd mit einem Kontrolletti? Erwischt er dich, versprichst du ihm natürlich das blaue von Himmel. Es tut dir unendlich leid und du schwörst auf das Leben deiner Großmutter, dass du es nie wieder auch nur in Erwägung ziehen wirst (nur um bei der darauffolgenden Fahrt wahrscheinlich wieder fahrscheinlos den Zug zu betreten). Straferlässe gibt es äußerst selten. Leider habt ihr in diesem Fall nur zwei Optionen: Entweder ihr kauft euch das Ticket, oder ihr zahlt bei der nächsten Kontrolle Strafe. Ihr könnt natürlich trotzdem versuchen, euch irgendwie aus der Sache herauszureden. Um das zu schaffen, müsst ihr aber das Glück haben, einer sehr verständnisvollen Person gegenüberzustehen. Aufgrund meiner Studien und Forschungen zu diesem Thema, kann ich dir nichtsdestoweniger einen wertvollen Tipp geben: Wenn du dich äußerst unschuldig und verzweifelt gibst, bringst du mit etwas Geschick das Herz des Schwarzkappplers zum Schmelzen. Trotzdem empfehlen wir dir nicht, schwarzfahren zu einer Gewohnheit zu machen. Schließlich ist es immerhin eine Straftat.
Liebe.
Nach all den Mysterien und Sensationen, die wir in der Wiener U-Bahn bereits erleben durfte, muss ich sagen, es bereitet uns jedes mal wieder Freude, den Service der Wiener Linien in Anspruch zu nehmen. Die wunderbare Atmosphäre, die durch die Realisierung dieses Projekts geschaffen wurde, ist unvergleichlich. Jeder hat seinen Platz, auch Teile der Gesellschaft, die in anderen Institutionen vielleicht weniger Anklang finden würden. Der strenge, gestriegelte, glattrasierte Geschäftsmann gibt sich nach einem harten Arbeitstag in der Abwesenheit seiner Mitarbeiter ganz ungezwungen zum Besten und zeigt uns, dass sogar er einmal lachen kann, wenn er sich beim lustvollen Hineinbeißen in seine Käsekrainer seine Krawatte und sein Hemd mit heißem Käse vollspritzt.
Die U-Bahn verbindet in erster Linie, sie vernetzt die Stadt. Sie verbindet aber vor allem eines: Menschen. Auch wenn es der Wiener in Form seines angeblich genetisch programmierten Zorns fast schon zu offensichtlich verbergen will. Wir gehören zusammen, wir sind eins. Das unterirdische Netz ist der Baugrund für zwischenmenschliche Brücken. Das muss der Smartphone-Zombie genau so zugeben wie der chronische U-Bahn Schläfer. Brücken werden gebaut und werden ebenso wieder gebrochen, in welcher Form auch immer. Zu verleugnen, die Augen davor zu verschließen, dass gefestigte Beziehungen in die Brüche gehen, wäre nichts weiter als eine Lüge. So etwas gehört nun mal dazu.
Der verflochtene Untergrund zeigt uns, dass Liebe in der Luft liegt, ganz egal in welcher Form er uns das zu spüren lassen vermag. Vielleicht durch das Paar, dass sich ein paar Sitzreihen weiter innig vereint dem Liebesspiel hingibt, oder durch den besoffenen Metallica Fan aus Tschechien, der auf dem Weg zu einem Konzert versucht ist, dir mit Händen und Füßen mitzuteilen, wie sehr er sich in diese Stadt verliebt hat und dir in seiner Euphorie einen Schluck von seinem Pivo anbietet.
Am Ende des Tages kommen wir alle nachhause. Die Wiener U-Bahn versteht es, uns diesen Akt immer wieder aufs Neue zu versüßen. Dankeschön.
Wenn du in der Wiener U-Bahn auch bereits das ein oder andere skurrile Erlebnis hattest, berichte uns umgehend davon. In den Kommentaren ist immer genug Platz.