„Heast!“ Wien ist grantig. Auf seine Weise. Und sie gilt als drittunfreundlichste Stadt der Welt. Dabei meinen die Wiener es gar nicht so ernst.
„Heast!“ Wien ist grantig. Auf seine Weise. Und sie gilt als drittunfreundlichste Stadt der Welt. Dabei meinen die Wiener es gar nicht so ernst.
Lässt sich Wiener Grant in Zahlen fassen? Vielleicht ja. Immerhin gibt es eigene Rankings in Sachen Unfreundlichkeit.
Laut dem Expat City Ranking 2019 ist Wien die drittunfreundlichste Stadt der Welt. Jener Wiener Grant, der in Österreich allgemein bekannt ist, sorgt international für viel Aufsehen. Denn wenn es Wien unter knapp 80 Städten auf der ganzen Welt unter die drei unfreundlichsten schafft, ist das durchaus eine Leistung – wenn auch eine Negativleistung. Andereseits, wundert es irgendjemanden?
Aber von vorne. Worum geht es eigentlich? Das Expat City Ranking 2019 ist soetwas wie ein Best-Of-Ranking für Großstädtefür internationale Arbeitskräte – auf Englisch „Expats“. Im Zuge dieses Rankings werden jährlich mehr als 20.000 Expats zu den Lebensbedingungen in ihrer Stadt befragt.
Wien sticht in diesem Ranking besonders in einer Kategorie hervor: 38 % der Expats in Wien waren 2019 der Meinung, dass die Wiener gegenüber ihnen unfreundlich wären. Nur Paris und Kuwait schnitten schlechter ab – und über alle Städte hinweg lag der Durschnittswert bei dieser Frage bei 19 %. Zu sagen, dass Wien tatsächlich unterdurchschnittlich unfreundlich ist, ist also legitim. In der Studie heißt es wörtlich: „Paris (81st) and Kuwait City (82nd) occupy the bottom places in this subcategory, along with Vienna, which ranks 80th. Over a third of all survey respondents in Vienna (35%) are unhappy with the general friendliness of the locals, and 38% say that people are not very friendly towards foreign residents.“
Dieses Ergebnis lässt sich unter anderem darauf zurückführen, dass man es ohne Deutschkenntnisse in Wien schwer hat – im Punkt Sprachenfreundlichkeit liegt die Stadt auf Platz 63 von 82. Aber nicht alles an Wien ist schlecht. Abgesehen von der Unfreundlichkeit schnitt Wien aber überdurchschnittlich gut ab. Im Gesamtranking schaffte es die Stadt auf Platz 23 und in Sachen Lebensqualität auf Platz fünf. Lediglich Zug, Tokio, Taipeh und Zürich waren noch besser. Andere Lebensqualitäts-Rankings gewinnt Wien wiederum seit Jahren. Besonders zufrieden waren die befragen Expats übrigens mit der Umweltqualität und dem öffentlichen Verkehr.
In einem Punkt zeigt sich die scheinbare Unfreundlichkeit der Wiener ganz deutlich: Beim Umgang mit Schimpfwörtern. Der ist in Wien ja bekanntermaßen sehr locker. „Trottel“ und „Idiot“ sind die am häufigsten verwendeten Schimpfwörter in Wien und ja, das ist von der Uni Wien wissenschaftlich bewiesen. Auch für viele Waldviertler gehören diese Wörter fast schon zum Alltagsvokabular und in den meisten Fällen sollen sie ja gar niemanden beleidigen. Man schimpft im Scherz. Vulgärausdrücke sind ein Teil der österreichischen Sprache – und in Wien eben ganz besonders. Die Sprachwissenschaftlerin Oksana Havryliv von der Universität Wien bestätigt das in einem Gespräch mit orf.at: „Nur die wenigstens nutzen Schimpfwörter, um andere zu beleidigen“, sagt sie. Ein Viertel des Schimpfens falle in die Kategorie Scherz. Darüber hinaus würden 64 Prozent zum Abreagieren benutzt und nur elf Prozent der Schimpfwörter würden in der Absicht ausgesprochen, tatsächlich jemanden damit zu beleidigen.
Am meisten geflucht wird übrigens im Dialekt. Es ist den Menschen vertrauter. Aufforderungen wie „Schleich dich!“ sind demnach eine österreichische Eigenheit und eher eine fiktive als eine reale verbale Aggression. Teilweise würden sich die Wiener in ihrem Suder-Image auch selbst gefallen – was dann zu noch mehr nicht-ganz-so-ernst gemeintem Grant führt.
Auf Wienerisch: „Geh schleich di!“. Foto: John Bussell
Wenn wir schon beim Sudern sind – auch das ist ein wesentlicher Teil des Images der Wiener. Sudern bedeutet so viel wie „jammern“ oder „nörgeln“. Grant wiederum heißt „Übellaunigkeit“ oder „Unmut“. Beides ist in Wien Lebensphilosophie. Steht der Bus auch nur 10 Sekunden zu lange an einer Ampel oder kommt die nächste U-Bahn erst in sieben Minuten, ist das nächste „Geh bitte!“ nur ein paar Meter entfernt.
Nun ist das Wiener Schimpfvokublars fast so vielseitig wie die deutsche Sprache selbst. Wenn du nach den richtigen Formulierungen suchst, um denjenigen anzusprechen, der gerade die Rolltreppe blockiert oder dich einfach über die vielen Touristen am Stephansplatz aufzuregen willst, gibt es sicher ein passendes Wiener Schimpfwort dafür. Wir haben die wichtigsten Phrasen gesammelt. Die meisten davon kennst du sicher schon. Aber man lernt ja nie aus. Und bevor du weiterliest: Das hier soll keine Anleitung zum Beleidigen sein, also verhalte dich bitte auch so und setze das Vokabular bedacht ein.
[heast]: Eines der wichtigsten Universalwörter des Wienerischen. Es steht meist am am Satzanfang verwendet und wird für den Ausdruck von Empörung oder als Aufforderung verwendet. Kann auch problemlos im eigenen Freundeskreis verwendet werden. z.B. „Heast, wos moch‘ ma heute Abend?“
[oida]: Das zentalste und vielseitigste Wort des Wienerischen. Es kann in jeder nur erdenklichen Situation verwendet werden und bedeutet das, was es eben gerade ausdrücken soll. Je nach Kontext kann „oida“ etwa für Empörung, Bewunderung oder für eine Person stehen. z.B. „Oida, wie oag!“
[deppad]: Das wienerische Synonym von „blöd“. Kann auch als im Nomiativ als „Deppada“ für Personen gebraucht werden und bedeutet dann so viel „Blödmann“. z.B. „Bist du deppad!“
[oasch]: Ein Universalwort, mit dem sich nicht nur das menschliche Gesäßorgan, sondern praktisch alles Erdenkliche beschreiben lässt. Es trägt aber meist eine negative Konnotation mit sich. z.B. „Jetzt is ois im Oasch.“
[Wappler]: Jemand, der unfähig ist und nichts auf die Reihe bekommt.
[Gfrast]: Wurde früher als als Bezeichnung für schlimme Kinder benutzt. Heute kommt es auch in Bezug auf Erwachsene zum Einsatz.
[Geh scheißen!]: Zentrales Synonym für „Nein“ und „Geh weg“. Geeignet zum Beispiel, wenn man zum fünften Mal zvon Fundraisern auf der Mariahilfer Straße angesprochen wird.
[Hams dir ins Hirn g‘schissn?]: Eine umgangssprachliche Frage, ob jemand nicht mehr bei Verstand ist oder ob er das wirklich ernst meint.
[Owezahra]: eine Person, die sich ständig über etwas beschwert und damit auch die anderen demotiviert.
Die Liste könnte noch lange so weitergehen – und vieles davon ist weniger ernst gemeint als es klingt. Denn die Wiener verpacken ihre Schimpf-Phrasen geschickt in Scherze und Reaktionen. Deshalb hier nochmal: Bitte nicht wörtlich nehmen, sondern richtig und weise gebrauchen.
Wie geht all das nun mit der Tatsache zusammen, dass Wien wieder und wieder zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt wird? Vielleicht liegt es gerade an der Unfreundlichkeit der Menschen. Denn hat man sich einmal an den Wiener Grant gewöhnt, liegt darin ein gewisser Charme. Ohne die typische „Grantscherm“ würde in Wien etwas fehlen. Und würde der Kellner im Café Landtmann plötzlich die Bestellung mit freundlichem Small-Talk beginnen, würde etwas fehlen. Ein Stück Kultur, das Wien zu Wien und eben nicht nur irgendeiner anderen mitteleuropäischen Stadt macht.